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Stefan

Artenvielfalt fördern

Ein Interview über das Thema Biodiversität mit Erica Willi, der Präsidentin des “Natur- und Vogelschutz Meise, Arbon und Umgebung” und Grünraumkommisssionsmitglied der Stadt Arbon. 
 

OstSinn: Heute, als ich in Rorschach unterwegs war, ist mir aufgefallen, dass die Gärten leer geworden sind. Es ist der Tag der Grünabfuhr, und von einem Tag auf den anderen,  wurden die Gärten leer geräumt. Wenn ich Ihren Garten ansehe, sieht er ganz anders aus. Wieso?

Erica Willi: Gerade wegen den kleinen Tieren. Ich könnte auch nicht in der Wüste überleben, und diese Gärten, geprägt von getrimmten und gedüngten Rasenflächen sind Monokulturen, die für die Tiere wie Wüsten wirken. 

Ich möchte in meinem Garten die Artenvielfalt von Pflanzen und Tieren fördern. Ich schneide schon etwas zurück - man muss auch in einem naturnahen Garten jäten und ordnen. Gleichzeitig bin ich viel toleranter und denke auch an die Insekten. Das sogenannte Unkraut ist meistens das Beste für sie. 

OS: Viele Tier- und Pflanzenarten sterben aus. Gibt es Pflanzen und Tiere, welche Sie früher gesehen haben und heute nicht mehr?  

EW: Als wir im Jahr 1970 nach Arbon gezogen sind, war beim See im Naturschutzgebiet war den ganzen Sommer über ein riesiges Froschkonzert. Wenn man beim Bahnübergang über die Gleise gegangen ist, sind die kleinen Eidechsen weggewuscht, wenn ich da unten mit meinen Kindern spazieren gegangen bin, ist ein Kuckuck auf dem Draht gesessen und hat gerufen. Das erste Wort meines Sohnes war Kuckuck.
Auch schon, habe ich in der alten Weide einen Uhu gesehen und im Wald Rehe und sogar einen Dachs gesehen. 

OS: Es klingt wie in einer Fabel...

EW: Seit ungefähr 30 Jahren sehe ich nichts mehr davon, unter anderem, weil es so viele Überbauungen gegeben hat. Hier im Garten hatte ich sehr viele verschiedene Schmetterlinge, jetzt habe ich vielleicht noch zwei, drei Arten, obwohl ich mehr oder weniger dieselben Pflanzen pflege. 

OS: In der Stadt Arbon redet man diesbezüglich über Aufwertung. Sie sind in der Grünraumkommission der Stadt. Was passiert dort? 

EW: Ich kämpfe seit vielen Jahren für Aufwertungen. Die Argumente dagegen waren, dass es ungepflegt aussieht und man keine Unordnung wolle. Erst seit kurzer Zeit haben wir eine neue Stadtregierung, die für solche Anliegen offen ist. Der Wille ist da und ich denke, dass sich momentan etwas bewegt. Solche Sachen hängen sehr stark von der Politik ab.

OS: Wenn ich dich richtig verstehe, wäre ein Gesetz auch wichtig.

EW: Das Baureglement wird jetzt revidiert. Von unserem Verein aus haben wir viele Verbesserungsvorschläge gemacht. Ich bin gespannt was passiert.

OS: Wie sieht es bei der Bevölkerung der Stadt aus?

EW: Die Leute sind auch gespalten. Es gibt immer noch diejenigen, welche immer möglichst alles sauber und gerade aus haben wollen. Heute habe ich im Fernsehen gehört, dass durch die Aktion “Mission B” zwei Millionen Quadratmeter naturnah gestaltet wurden. Aber gleichzeitig in denselben anderthalb Jahren wurden 40 Millionen Quadratmeter zubetoniert. In Luzern und in Visp hat man von der Stadt aus die Teerplätze aufgerissen um Flächen zu schaffen, wo es etwas wachsen kann, wo Leben stattfinden kann. Das ist jetzt eine Auseinandersetzung und auch selbstverständlich ein Lernprozess. 

Ich denke auch immer wieder an Kinder. Einige können mit der Natur aufwachsen. Sie beobachten Blumen, Käfer und Vögel und bilden eine Beziehung dazu. Dann gibt es Kinder, welche in einem eher sterilemn Umfeld aufwachsen. Sie haben danach ein anderes Verhältnis zur Natur. Ein Kinderarzt vom Kinderspital St. Gallen hat sogar erklärt, wie die Entwicklung des Kinderhirns auch Natur braucht. Natur-Beobachtungen und Erleben von Wandel schaffen eine gesunde Gehirnentwicklung.

OS: Was können Leser und Leserinnen für die Biodiversität tun?

EW: Wenn man eine Schotterwüste und grosse Asphaltflächen sieht, sollte man es nicht einfach hinnehmen, sondern sich dazu äussern. Wenn man selber ein kleines Stück Land hat, könnte man dieses möglichst naturnah pflegen. 

OS: Am 17. Januar 2021 organisiert die “Vogel- und Naturschutz Meise, Arbon und Umgebung” eine Wasservogelexkursion. Was für Vögel kann man beobachten und wie kann man sich anmelden?

EW: Die Veranstaltung ist öffentlich und ohne Anmeldung besuchbar. Wir geben in der Zeitung den Treffpunkt bekannt. Andere Menschen müssten nach Polen oder Finnland reisen um bestimmte Vögel zu sehen. Wir sitzen hier an der Arboner- Steinacher Bucht und lassen diese Vögel einfach zu uns zu kommen. Teilweise sind es ganz spezielle und schöne Vögel, zum Beispiel Watvögel, Strandläufer, Grün- und Rotschenkel,  Bekassine und dann noch Enten: Krickenten, Löffel- und Tafelenten. Ich könnte noch ganz viele aufzählen!

 

Kata Piroch - Ostsinn